Frau Anna Berlinger von der Gemeindecaritas sprach auf Einladung durch den Pfarrgemeinderat Hengersberg in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) zum Thema ‚Begutachtung durch den Medizinischen Dienst‘. Dieser Vortrag schloss sich an den ersten Teil im vergangenen September rund um das Thema ‚Pflege‘ an.
Zunächst betonte die Referentin, dass Leistungen aus der Pflegeversicherung nur Personen zustehen, die mindestens zwei Jahre in der Pflegekasse (= Krankenkasse) selbst oder familienversichert waren. Pflegebedürftigkeit liegt dabei vor, wenn der Antragsteller körperliche, geistige oder psychische Belastungen nicht selbstständig ausgleichen kann und die Beeinträchtigung mindestens sechs Monate lang vorliegt, d. h. von Dauer ist.
Dabei kann diese plötzlich eintreten, z. B. durch Unfall oder akute Erkrankung, auch bei Kindern schon ab Geburt durch Behinderung oder schwere Krankheit, aber natürlich häufig auch langsamer altersbedingt und/oder durch chronische Erkrankungen.
Frau Berlinger empfiehlt zur Antragstellung einen Anruf bei der Pflegekasse, denn ab dem Tag dieses Anrufs werden bei positivem Bescheid auch Leistungen gezahlt.
Der Medizinische Dienst (MD) Bayern wird mit der Begutachtung beauftragt und die Pflegekasse trifft anschließend die Entscheidung analog des Gutachtens.
Anhand eines gut ausgearbeiteten Gehefts erklärte die Referentin die sechs Module, die (unterschiedlich gewichtet) beim Besuch des MD betrachtet werden. Zu diesem Besuch empfiehlt Frau Berlinger dringend, dass der Pflegende anwesend sein sollte. Die Pflegebedürftigen neigen häufig dazu, ihre Situation zu verharmlosen bzw. viel besser darzustellen, als sie ist. Von einer telefonischen Begutachtung rät sie absolut ab, und jeder hat auch Anspruch auf einen persönlichen Besuch, wie übrigens auch vor der eigentlichen Begutachtung des MD auf einen Besuch durch Pflegeberater der eigenen Krankenkasse. Dies sollte man wahrnehmen im Sinne einer optimalen Beratung und späterer zufrieden stellender Entscheidung.
Die Module, die beim Besuch abgefragt werden, sind 1. Mobilität (Gewichtung 10 Prozent), 2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (15%), 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15%), 4. Selbstversorgung (40%), 5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (20%) sowie 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (15%).
Wichtig zu wissen — und für manche unverständlich — ist, dass die Bereiche ‚Außerhäusliche Aktivitäten‘ sowie ‚Haushaltsführung‘ nicht in die Berechnung einfließen… diese werden nur betrachtet, um Hilfen aufzeigen und besser planen zu können.
Die Referentin fasste zusammen, dass nur die Einschränkung der Selbstständigkeit in obig genannten Bereichen den Ausschlag über die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade gibt. Wer z. B. trotz schwerer Krebserkrankung keiner oder geringer Einschränkung unterliegt, hat keinen Anspruch auf Pflegeleistungen. Dies können übrigens Geld- oder Sachleistungen sein.
Am Ende ihres sehr interessanten, trotz des durchaus schweren Themas kurzweilig, leicht und mit Anekdoten gespickten Vortrags gab Frau Berlinger noch ein paar wichtige Tipps:
- NIEMALS den Pflegebedürftigen das Gespräch allein führen lassen
- die Pflegeperson führt das Gespräch
- ALLE Fragen beantworten
- gefragt ist die schlechteste Situation, nicht die beste… der Pflegebedürftige muss keine Prüfung bestehen
- auch unangenehme Dinge ansprechen, keine Scheu vor intimen Details
- Befunde, Arztbriefe, Hilfsmittel, Medikamente usw. vorbereiten
- am besten vorher schon ein Pflegetagebuch über Art und Dauer der Pflege führen
- den Patienten auf das Gespräch vorbereiten und ihm verdeutlichen, dass er ehrlich über seine Einschränkungen sprechen muss, evtl. vorher ‚üben‘.
Im Anschluss informierte die Referentin über die Fachstelle für pflegende Angehörige, bei der man sich Hilfe und Beratung holen kann. Die Ansprechpartnerin ist Frau Eva-Maria Andorfer von der Caritas in Deggendorf. Im Internet, per Mail (andorfer@caritas-deggendorf.de) oder telefonisch (0991÷3897−14÷−35) kann man um Rat fragen oder einen persönlichen Termin vereinbaren.
Zum Schluss bedankte sich die Bildungsbeauftragte der Pfarrei Hengersberg, Frau Christine Kremheller, sehr herzlich für den perfekt ausgearbeiteten, menschlich und persönlich ansprechenden Vortrag mit einem kleinen Geschenk. Die mehr als 20 Besucher, deren Fragen im Laufe des Abends sehr gut beantwortet wurden, dankten mit großem Applaus.
